Du kommst in vielerlei Gestalt
Personen: (4) | Katja, eine alte Frau Iwan, ein alter Mann Erster Räuber Zweiter Räuber |
Spieldauer: | ca. 20 Minuten |
Szene: | Katja ist eine alte, kranke, kindlich gläubige Frau, die nur noch die Hoffnung am Leben hält. Sie spricht schweratmig, also etwas abgehackt, jedoch deutlich. Iwan ist der in vielen Jahren zur Güte und Nachsicht gereifte Mensch. Ruhig und ernst, ja behutsam umsorgt er seine Frau. Beide sind sehr arm und leben weit ab irgendwo in der russischen Verlassenheit. Die Räuber sind verwahrloste Gesellen. Besteht die Möglichkeit, die Rollen von einem hageren und einem breit und kraftvoll wirkenden Spieler darstellen zu lassen, so wird der Hagere den hektisch getriebenen, gierigen, aber auch schlaueren zweiten Räuber spielen. Der robustere erste Räuber wirkt in seiner scheinbaren Skrupellosigkeit nicht weniger gefährlich, zeigt aber gegen Ende immer mehr, dass seiner geringen äußeren geistigen Geschmeidigkeit ein vielleicht im Grunde weiches, jedenfalls besseren Regungen zugängliches Herz entspricht. Es ist den Darstellern der Räuber anzuraten, ihre Rollen nicht ins komische zu steigern, wiewohl manche Spielsituation dazu reizen mag. Der tiefe Ernst, der das Stück beherrscht, soll gewahrt bleiben. Die Bühne zeigt - vom Zuschauer aus gesehen - rechts den Innenraum einer Hütte. Er nimmt etwa zwei Drittel der gesamten Bühnenbreite, nicht aber ihre volle Tiefe ein und hat links vorne eine primitive Tür. Wer für die Tür technische Schwierigkeiten sieht, lässt sie weg. Die Räuber kommen dann links zwischen Rampe und Hüttenwand ins Innere. Die Ausstattung besteht nur aus einem niederen Bettschragen und drei Hockern. Von der Decke hängt in greifbarer Höhe eine Petroleumlampe. Irgendwo an der Wand ist ein kleiner Tuchsack mit Habseligkeiten oder ein Männerrock aufgehängt. Es ist Spätherbst und kalt. Das kann durch einen kahlen, knorrigen Baum im linken Bühnendrittel angedeutet werden oder aber nur durch einen größeren Ast, der sich von links oben zur Bühnenmitte etwas herabneigt. |
1. Szene: | Katja und Iwan. Es ist Nacht. Die Petroleumlampe brennt. Katja liegt auf dem Bett, hat sich aber aufgestützt. Iwan sitzt oder steht rechts neben ihr, etwas mehr im Vordergrund. |
Iwan: | Hab keine Angst, Katja; du musst nur geduldig sein. |
Katja: | Ja, das hat er auch gesagt. Das hast du von ihm - oder hast du es von dir selbst? |
Iwan: | Ich hab es nicht von mir selbst. Hier vor deinem Bett stand er. Er hatte die rot gefrorenen Hände um den heißen Stein gelegt und hat gesagt, dass du dich noch ein wenig gedulden musst. |
Katja: | "Ein wenig" hat er nicht gesagt, er hat einfach gesagt, dass ich mich gedulden muss und dann ist er in die Knie gegangen, als wäre ihm elend geworden. |
Iwan: | Dabei hat er die Hände so zusammengetan (Gebärde des Gebets) und mit einem gesprochen, aber es war keiner da. Zuletzt hat er gesagt: "Ich bitte dich Jesus, komme bald! Diese kranke Schwester braucht deine Hilfe!" |
Katja: | Und dann - erinnerst du dich, Iwan - fragte ich ihn: Mit wem sprichst du, Väterchen, ich habe den Namen Jesus noch nie gehört! Da war er erstaunt und hat uns von ihm erzählt und von seinem Sohn Johannes. |
Iwan: | Das war nicht sein Sohn. Er hatte doch keinen Sohn, wie auch wir keine Kinder haben. |
Katja: | Er muss sein Freund gewesen sein, dieser Johannes, du hast recht. |
Iwan: | Jetzt erinnere ich mich. Er war jünger als Jesus. Er sagte doch: der Jünger Johannes. |
Katja: | Das muss doch heißen: Der jüngere Johannes. |
Iwan: | Ach was, der Mann ist von weit gekommen. Er hat unsere Sprache nicht richtig sprechen können. |
Katja: | Aber ein guter Mensch ist er gewesen. Solange er da war, hat mein kranker Leib weniger weh getan. |
Iwan: | Richtig, und du hast ihm das auch gesagt. |
Katja: | Ja, aber ist fast unwillig geworden. Was ich kann, bedeutet nichts, sagte er, aber mein Herr wird zu euch kommen. das ist einer, der kann dir helfen. Er hat die Kranken gesund gemacht, wenn er sie nur mit der Hand berührte. Und dann waren sie nicht nur gesund, sondern ganz andere Menschen waren sie dann, ganz neue Menschen. Glaubst du, dass es noch lange dauern wird, bis er kommt? |
Iwan: | Ich kann es mir nicht denken, ich wundere mich die ganze Zeit schon, dass er nicht schon da ist. Der Fremde hat gesagt, er kommt gleich. |
Katja: | Nein, er kommt bald, hat er gesagt. |
Iwan: | Du irrst dich Katja, er hat gleich gesagt. Und meinst du, dass der andere auch kommen wird, der Jüngere? |
Katja: | Gewiss wird er dabei sein, immer war er doch dabei, bei allem, immer, wenn der Jesus einem half. |
Iwan: | Ob er aber so weit herfindet, bis zu uns? |
Katja: | Es soll ja jetzt rasche Wagen geben. Mit denen fährt man fünf, sechsmal so rasch, als wir laufen konnten, wie wir jung waren. |
Iwan: | Ja freilich, aber die raschen Wagen fahren doch ganz weit weg an uns vorbei. |
Katja: | Ich glaub auch gar nicht, dass es solche Wagen gibt, das sind lauter so verrückte Schwätzereien. |
Iwan: | Ist ja auch gleich, Katja, bis zu uns kommt doch nie einer. - (Ziege meckert)Jetzt ist unsere Ziege alt. Bald wird sie sterben müssen. Aber solange wir sie haben, war kein Mensch bei uns, als nur der eine fremde Mann. Und der hat gesagt, sein Herr kommt bald. - Schlafe jetzt Katja. |
Katja: | Ich will es versuchen. (Iwan hilft Katja beim Zurücklegen. Er richtet ihr die Wolldecke, stellt dann einen Hocker zurecht, geht zur Lampe und dreht sie zurück. An der rechten Wand setzt er sich.) |
2. Szene: | Auf dem linken Teil der Bühne, also im Freien, erscheinen die beiden Räuber. Sie schleichen frierend um das Haus herum. |
1. Räuber: | Mensch, so ein Schwein! Du, ich will ein Heiliger sein, wenn da drinnen nichts zu holen ist. |
2. Räuber: | Das wird sich ja herausstellen |
1. Räuber: | Kerl, die werden glotzen, wenn wir ihnen die Matratze unter dem Hintern vorziehen, denn ich freß meine Stiefelsohle, wenn die nicht ihr Geld darin versteckt haben. |
2. Räuber: | Die werden gerade warten, bis du Saukerl ihnen den Pelz wegziehst. |
1. Räuber: | Lang genug ist es uns jetzt dreckig gegangen. Wenn einer Dummheiten macht da drinnen (sieht sich um), zwanzig Meilen weit ist keiner, der ihm hilft. Heute ist mir alles egal. (Zeigt mit dem Finger auf die geöffnete Handfläche) Hier, sieh dir das an! |
2. Räuber: | Was, das bisschen Narbe? Wohl von einem kleinen Mädchen? War wohl eine Wildkatze? Wollte nichts mit dir zu tun haben, hat dich in die Hand gebissen? |
1. Räuber: | Ha, die Wildkatze war meine eigene Mutter. Ja, so was gibts. Hat mich in die Hand gebissen. Glaubte an so Hokuspokus von Handlinien und sonstigem Blödsinn. Hat einen Galgen herausgelesen. Hat ihre Zähne hineingeschlagen und eine Narbe drüber gezogen. Da schau! |
2. Räuber: | Wird uns wenig helfen, der Biss von deiner Alten. Wenn wir das Licht dort drinnen abdrehen (macht Handbewegung des Erwürgens) baumeln wir früher oder später.- |
1. Räuber: | Na komm schon, lassenwir das Muttermilchgeschwätz. Ist ja nicht das erste Wässerchen, das wir trüben. Aber erst einmal sehen, ob sie noch eine Tür haben. (Sie gehen hinter die Hütte) |
3. Szene: | Links ist es dunkel, dämmriges Licht im Innenraum. Schritte hinter der Bühne. |
Katja: | (fährt hoch) Iwan, hörst du nichts, da ist doch was? |
Iwan: | Es ist die Nacht, die ums Haus geht, nichts weiter |
Katja: | Ich kenne aber die Stimme der Nacht auch. Und es ist nicht die Nacht. Horch mal! (Katja richtet sich im Bett auf. Man hört wieder Schritte, die zur Tür kommen) |
Katja: | Iwan, du Iwan, ein Mensch. Ob wir das Licht ganzausmachen und uns schlafend stellen? |
Iwan: | Ja, es ist das beste. Was will so einer mitten in der Nacht? (Geht zur Lampe, will sie ausdrehen, da sagt die erregte Katja) |
Katja: | Du, Iwan! (Die Räuber kommen wieder zur Tür) |
Iwan: | Sei still! Horch einmal, jetzt sind die Schritte vor der Tür. Ich glaube es sind zwei. |
Katja: | (vor sich hin) Zwei? |
Iwan: | Pssst! |
Katja: | Iwan, zwei! Merkst du denn nichts? |
Iwan: | Ich weiß genau, was du denkst, Katja. Vielleicht hast du recht. Ich will doch das Licht hell machen. (tut es) |
: | Die beiden Räuber haben gelauscht. Durch Zeichen geben sie sich zu verstehen, dass sie nichts verstanden haben.) |
2. Räuber: | Klopf schon! |
1. Räuber: | (klopft) Aufmachen! |
Iwan geht zur Tür, zögert aber | |
Iwan: | Was wollt ihr? |
2. Räuber: | Wir sind müde und hungrig, nehmt uns auf! |
Katja: | Frag ihn doch, wieviele es sind! |
Iwan: | Wieviele seid ihr? |
1. Räuber: | Zwei! |
Katja: | Ob es zwei Männer sind? |
Iwan: | Seid ihr ein Mann und eine Frau? |
2. Räuber: | Zwei erschöpfte Wanderer. |
Katja: | Frag sie, ob sie gleichen Alters sind! |
Iwan: | Seid ihr ein älterer und ein jüngerer? |
1. Räuber: | Ja, ein älterer und ein jüngerer. aber macht jetzt endlich auf, uns friert. |
Katja: | Sie sind es, Iwan, mach auf. Führ sie herein! |
Iwan macht die Tür auf. Katja setzt sich mühsam, aber mit Hast, vollends auf. Die Räuber poltern herein | |
Iwan: | Seid uns willkommen ihr Herren. |
2. Räuber: | (stößt erstem Räuber in die Rippen und sagt nebenhin) Bei dem kannst du Manieren lernen. |
1. Räuber: | (zischt zurück) Halts Maul! |
Katja: | Du musst dich entschuldigen Iwan. Hast sie so lange in der Kälte draußen stehen lassen. |
Iwan: | Nichts für ungut, ihr Herren. Man hat eben Angst hier draußen, nachts. Wohnt weit und breit kein Mensch! |
2. Räuber: | (Rippenstoß - spricht nebenhin) Wem sagt er das? |
1. Räuber: | (zischt) Halts Maul! |
Iwan: | Konnt ja nicht wissen, dass ihr es seid, ihr Herren. |
2. Räuber: | (Rippenstoß, nebenbei) Wen meint der Trottel? |
1. Räuber: | (drohend) Halts Maul! |
Katja: | Du musst Jesus danken, dass er gekommen ist! |
Iwan: | Ihr habt einen weiten Weg gemacht für uns. Habt Dank! |
2. Räuber: | (zischt) Er hält dich Scheißkerl für einen feinen Herrn, namens Jesus. Lass ihn bei dem blödsinnigen Glauben. Das kann uns nur nützen. |
1. Räuber: | (räuspert sich und spricht gemacht vornehm) Allerdings, wir haben uns einer großen Mühe unterzogen. Wir sind todmüde. Könnt ihr uns etwas Speiß und Trank und dann ein Nachtlager anbieten, damit wir schlafen können? |
Iwan: | Habt etwas Geduld ihr Herren, mein Weib ist krank |
Katja: | Das brauchst du ihm doch nicht zu sagen. Das weiß er doch schon lange. Deshalb sind sie doch hergekommen. |
Iwan: | Ihr werdet damit vorlieb nehmen, dass ich euch zu essen bringe, ihr Herren. Setzt euch einstweilen. |
Iwan geht nach rechts, Brot und Äpfel auf einem Holzteller zu bringen. Die Räuber setzen sich auf die Hocker links neben dem Bett, der 1. Räuber näher der staunenden Katja. Sie beginnen hungrig zu essen) | |
2. Räuber: | (nebenbei) Das hast du großartig gemacht. Wir müssen hier die Rolle der feinen Herrschaften spielen. |
Katja: | Ich weiß schon, wie arm ihr seid. Der guten fremde Mannhat es uns erzählt, dass du nachts nicht weißt, wo du dein Haupt hinlegen sollst. Und dein ganzes Geld hast du ja dem einen gegeben, der den Beutel getragen hat. Wie hat der nur geheißen? |
1. Räuber: | (tut, als überlege er, dann) Ich hab seinen Namen vergessen. |
Iwan: | Er hat ihn gewiss auch vergessen, dass er ihn nicht mehr weiß beim Gericht. |
Katja: | Und du hast ja so viele Kranke gesund gemacht |
Iwan: | Solche, die glaubten, dass du ihnen helfen kannst. |
2. Räuber: | Sie halten dich für einen Arzt. Jetzt nimm deinen Grips zusammen. |
1. Räuber: | Natürlich, wenn einer kein Zutrauen hat - ich möchte den Arzt sehen, der dem helfen kann! |
Katja: | O weh, ich hab ihn gekränkt. |
Iwan: | Sie hats nicht bös gemeint. Wir sind törichte Leute. Du darfst es nicht übelnehmen, wenn wir dummes Zeug daherreden. |
Katja: | Wir sinds ja gar nicht wert, dass ihr hier bei uns seid. Wahrscheinlich tut es euch schon Leid. Ihr müsst zu Leuten gehen, die besser sind als wir. |
Iwan: | Der Jesus ist doch immer am liebsten zu solchen gegangen, die schlecht gewesen sind. |
Katja: | (sehr zögernd) Ich möchte euch gern was fragen, aber ich traue mich nicht. |
2. Räuber: | (Rippenstoß) Sag doch, dass sie dich fragen darf, was sie will. |
1. Räuber: | Ihr dürft alles fragen, Frau, was ihr gerne wissen wollt. |
Katja: | Siehst du. Iwan, er ist so gut, wie der Mann gesagt hat. |
2. Räuber: | Ihr wolltet meinen Freund etwas fragen, Frau. |
Katja: | Kannst du so ein schlechtes Weib wie mich gesund machen? |
1. Räuber: | Gesund machen? (Rippenstoss vom 2. Räuber) |
2. Räuber: | Das Geld im Sparstrumpf musst du verlangen! |
1. Räuber: | Du müsstest uns Geld geben. |
Iwan: | Wie gut er ist. Er, der für sich gar kein Geld braucht. Weißt du, für wen ers will, Katja? |
Katja: | Für die Armen will er's, ich weiß es |
2. Räuber: | Ja, nur für die Armen |
Katja: | Darf ich ihn um etwas bitten, Iwan? |
Iwan: | Sei nicht unbescheiden, Frau |
Katja: | ja, aber ich möchte ihn doch bitten |
1. Räuber: | Du darfst uns bitten |
Katja: | Ihr seid so arm, eure Kleider sind nicht mehr gut und ich hab mir gedacht, wenn das Geld für die Armen sein soll ... Ich kann mich nicht ausdrücken, hilf mir Iwan! |
Iwan: | Sie meint, ihr sollt von dem Geld auch für euch selbst etwas nehmen.Ihr sollt nicht alles herschenken, seid ja selbst bettelarm. |
Katja: | Ja, darum wollt ich euch bitten. |
2. Räuber: | Sei schlau, sag, dass wir es uns überlegen wollen. |
1. Räuber: | Wir wollen es uns durch den Kopf gehen lassen, Frau. |
Katja: | Ich hab es ja gewusst, dass ich etwas unverschämtes erbeten habe. Ihr seid so gut, dass wir es gar nicht begreifen können. Seid nicht böse über mich. |
Räuber haben währenddessen fertiggegessen | |
2. Räuber: | Sag ihr, dass sie gesund sein wird, morgen um die gleiche Stunde. (Er steht auf und geht suchend herum) |
1. Räuber: | Du willst, dass ich dich gesund mache. Morgen um ... |
Iwan: | Natürlich morgen. Wir dürfen ihn heute nicht mehr bemühen. Der Jesus ist todmüde. |
Katja: | Du hast recht Iwan, und du Jesus siehst daran, wie schlecht ich bin. Ich hätte es doch tatsächlich angenommen, dass du dir heut noch mit mir Mühe machtest. |
2. Räuber: | (setzt sich wieder. Nebenhin) Aber das Geld soll sie dir schon heute geben |
1. Räuber: | Was nun das Geld betrifft ... |
Katja: | Nehmt es Herr, tut uns das nicht an, dass ihr es nicht nehmt. |
2. Räuber: | (nebenhin) Jetzt soll sie es uns geben |
1. Räuber: | Aber Frau, vielleicht habt ihr gar nicht viel Geld und ... |
Katja: | Siehst du, er ist besorgt, dass wir selbst recht wenig haben. |
Iwan: | Ich will es ihm morgen früh in dem ziegenledernen Beutel geben |
Katja: | Nein, Iwan, gib es ihm jetzt. Wir dürfen uns nicht immer beschämen lassen durch seine Güte. |
Iwan zieht unter der Matratze das Geld heraus und legt es auf den Tisch. Erster Räuber nimmt das Geld | |
2. Räuber: | Jesus hat das Geld immer seinen Freund aufbewahren lassen, gib es mir.(Nimmt ihm den Beutel) |
1. Räuber: | Behalt es, bis wir es gleichmäßig unter den Armen verteilen. |
Iwan: | Wir müssen euch jetzt die Nachtruhe gönnen, Herr. |
1. Räuber: | Schüttet uns Stroh aus im Ziegenstall |
Iwan: | Wenn mein Weib nicht so krank wäre, hätte ich euch das Bett überlassen. |
Katja: | O Iwan, die Herrn im Ziegenstall! Sie sollen das Bett haben. Ich will mit dir auf dem Stroh liegen. |
Iwan: | Kannst du das denn ertragen, Katja? |
Katja: | Bist du dumm, Iwan. Wo er mich doch morgen gesund machen wird. Dann ist es doch gleich, wie ich die Nacht heute liege. |
Iwan: | Sie hat recht, ihr Herren, ihr müsst hier im Bett liegen, dass ihr eure durchgefrorenen Glieder erwärmen könnt. Komm Katja, ich helfe dir heraus.(Hilft ihr heraus und stützt die sehr unsichere) |
Katja: | Es geht viel leichter als ich dachte, Iwan. Ob der Herr mich etwa heute schon ... Ihm ist alles zuzutrauen. O, es geht wirklich viel leichter Iwan. (Sie versucht zu gehen) |
Iwan: | Gute Nacht, ihr Herren, schlaft wohl. |
Katja: | Ja, habt dank und schlaft wohl. |
1. Räuber: | Schon gut, schon gut. |
Katja und Iwan gehen langsam durch die Tür und nach rechts hinten | |
4. Szene | |
2. Räuber: | (aufspringend) Ha, hat man schon so etwas idiotisches erlebt! |
1. Räuber: | (etwas bedrückt) Halt keine großen Reden. Wir wollen warten, bis die da etwas ruhig geworden sind und dann nichts wie fort. |
2. Räuber: | Wir können die Zeit doch schon noch ausnützen. Vielleicht kann ich einen Teil meiner Garderobe erneuern. Der Alte hat vielleicht Pelzschuhe und eine Felljacke. |
1. Räuber: | Du rührst mir keinen Faden mehr hier an, lassdir das gesagt sein. Sonst kann s geschehen, dass ich heute tatsächlich noch einen umlege, dich und keinen anderen. |
2. Räuber: | Ist dir wohl zu Kopf gestiegen, dass sie dich für einen noblen Herrn halten? Hat wohl etwas locker gemacht bei dir da oben? |
1. Räuber: | Ich will dir etwas sagen: Das sind keine Leute hier wie man sie sonst trifft. Wenn du willst, werd ich mit dir einen ganzen sibirischen Bauernhof ausplündern, aber hier gibts so etwas nicht. |
2. Räuber: | Mir kanns recht sein, wenn du zu Kreuze kriechen willst. Ich hab ja hier in Händen, was ich w will. Der feine Herr hat mich ja zum Finanzminister gemacht. (lacht dreckig) Man kann nicht anders sagen, vornehm geht die Welt zugrunde. |
1. Räuber: | Du bist jetzt ganz ruhig. Gib den Beutel her. Wir wollen so viel herausnehmen, dass wir nach Horansko kommen. Aber keine Kopeke mehr. (Lärm draußen) |
2. Räuber: | Horch, dort draußen murkst jemand herum. |
1. Räuber: | Wer weiß, ob die Alte nicht einen Anfall hat. Vielleicht stirbt sie. |
2. Räuber: | Kann nur gut sein, dann wird sie morgen nicht merken, dass du sie ausgeschmiert hast, feiner Wundertäter du. |
1. Räuber: | Wir müssen weg hier. Wir müssen auf alle Fälle weg. das Geld jetzt her, ich sag dirs zum letzten Mal. |
2. Räuber: | Ich will doch einmal hinausschauen, was da draußen ist. Da wird keine Ruhe. |
1. Räuber: | Ganz gleich, was draußen ist, du gibst jetzt das Geld her.(Reißt ihm den Beutel aus der Hand, nimmt eine Hand voll Geld heraus und schüttet den Rest so ins Zimmer, dass er sich über den ganzen Boden verteilt. Zweiter Räuber sammelt am Boden kniend das Geld auf. Erster Räuber tritt aus der Stube, um zu sehen, was los ist. Indes ist in der Stube der zweite Räuber damit beschäftigt, das Geld aufzulesen und in den Beutel wieder zu sammeln. Iwan ist mit einem langen Messer zur Tür vorgekommen). |
1. Räuber: | Du bist es, Iwan. Was gibt es, ist es schlimmer mit deinem Weib? |
Iwan: | Nein Herr, der gehts viel besser. Sie ist schon halb gesund und das kommt von euch. |
1. Räuber: | Warum legst du dich nicht schlafen, Alter? |
Iwan: | Ich hab noch eine Arbeit. |
1. Räuber: | Was tust du denn mit dem Messer. |
2. Räuber: | (erschrickt, richtet sich auf und schreit von drinnen) Jetzt lernst du den frommen Halunken kennen; er hat ganz recht, wenn er dir die Klinge hineinjagt! (Er ist aufgesprungen und bleibt an der Tür horchend stehen) |
1. Räuber: | (Beunruhigt) An deinem Messer ist Blut, Alter. |
Iwan: | Ich hab ein Ziege geschlachtet |
1. Räuber: | Eine Ziege, jetzt mitten in der Nacht, was solldas? |
Iwan: | Katja hat es so gewollt. Es ist zu wenig, hat sie gesagt, und das Geld geben sie doch nur den Armen. Wir wollen ihnen etwas geben, das sie für sich selbst verbrauchen müssen. |
1. Räuber: | (Erleichtert und ergriffen) Ihr könnt einen aber wirklich verrückt machen, ihr zwei Alten. Wieviel Ziegen habt ihr denn überhaupt? |
Iwan: | Zwanzig, Herr |
1. Räuber: | Du lügst, Iwan! Weißt du nicht, dass es Gottlos ist zu lügen? |
Iwan: | O Herr, ihr habt recht. Es sind keine zwanzig. Ich habe ein wenig zu groß getan |
1. Räuber: | Du lügst wieder, Iwan. Da steckt etwas anderes dahinter. |
Iwan: | Quält mich nicht Herr, fragt nicht weiter. |
1. Räuber: | Wenn du jetzt nicht auf der Stelle sagst, wieviele Ziegen du hast, will ich machen, dass dein Weib wieder krank wird. |
Iwan: | Verzeiht mir, Herr. Tut nur das nicht. Ich will es euch sagen. - Es war die einzige Ziege, die wir hatten. |
1. Räuber: | Mein Gott, mein Gott (Er tritt ins Zimmer. Iwan, erst unentschlossen, geht dann rückwärtsweg) |
1. Räuber: | (zum 2. Räuber, der fragenden Blickes, mit dem Beutel in der Hand, ihn ansieht)Gib das Geld her, das ganze Geld! Wenn ich hernach noch eine Kopeke bei dir finde, schlage ich dich tot. (reißt ihm den Beutel aus der Hand und legt ihn auf das Bett) |
2. Räuber: | (in maßloser Wut) Betrüger, die Hälfte war mein! |
1. Räuber: | (bestimmt) Du wirst deine Hälfte bekommen - von mir. Verlass dich drauf. Aber nicht von diesem hier. Und jetzt geh voraus und dreh dich kein einziges mal mehr um - (Packt ihn, und die beiden stolpern hinaus) |