Auf dem Postamt

Personen: (5) Postangestellter mit Brille, spießiger Typ,
Herr A,
Herr B,
Herr C,
Eine Frau
Spieldauer: ca. 12 Minuten
Material: Pappuhr mit beweglichen Zeigern, (Schein-)Telefon, Aktentasche mit Kleinkram, Taschenmesser, belegtes Brötchen, Schere, Personalausweis
Szene: Ein Geldabholschalter mit Uhr darüber; Telefon auf dem Schaltertisch
Postler: (Im Schalter sitzend, sortiert Papiere, dicht darauf sehend)
Herr A: (erscheint mit gefüllter Aktentasche; er sucht in seinen Taschen, bringt einen Zettel hervor, wartet)
Postler: (reagiert nicht)
Herr A: (wartet erst noch geduldig, schiebt dann den Zettel näher zum Postler hin)
Postler: (reagiert nicht)
Herr A: (hält Zettel an die - nicht vorhandene Glasscheibe)
Postler: (reagiert noch immer nicht)
Herr A: (klopft an die Glasscheibe und zeigt den Zettel)
Postler: (schiebt endlich Glasscheibe hoch, legt mit Nachdruck den Zettel wieder vor Herrn A hin und schickt dabei vorwurfsvollen Blick über die Brille, dazu missbilligendes Kopfschütteln)
Herr A: (schiebt den Zettel wieder vor) Ich habe hier eine Benachrichtigung erhalten...
Postler: (spitzt seinen Bleistift liebevoll an) Mo - ment bitte!
Herr A: (wartet wieder, dann hebt er den Zettel dicht vor dem Postler hoch) Ich habe diese Benachrichtigung erhalten, daß...
Postler: (wischt die Holzabfälle zusammen, dabei fällt Bleistift hinunter) Mo - ment bitte, sagte ich! (Er bückt sich nach dem Stift, kommt langsam hoch, betrachtet den Bleistift, ob die Spitze abgebrochen ist)
Herr A: (Auf den Zettel pochend) Ich habe hier eine...
Postler: (Mit prüfendem Blick über die Brille) Sie heißen?
Herr A: Aumüller, August...
Postler: Wieso Au?
Herr A: Nicht Au, sondern Aumüller! August Aumüller!
Postler: Stottern Sie?
Herr A: Nein - warum?
Postler: Tut ihnen etwas weh?
Herr A: Durchaus nicht - weshalb denn?
Postler: Dann brauchen sie doch nicht Au zu sagen! Sie heißen Müller?
Herr A: (schüttelt den Kopf) Au--! Aumüller!
Postler: Was denn nun schon wieder! Sie mit ihrem blöden Au! Wollen sie mich etwa zum besten halten?
Herr A: Aber ich heiße doch so!
Postler: Sie heißen AU?
Herr A: Hören sie schlecht? Ich heiße August Aumüller!
Postler: (abfällig) August Aumüller! Muß ja ein Fehler sein! (Er blättert in den Geldanweisungen) Für Müller ist keine Geldanweisung dabei!
Herr A: (ungeduldig) Aber für Aumüller muß eine da sein - hier ist doch die Benachrichtigung
Postler: (blättert weiter) Für August ist auch keine da
Herr A: Suchen sie doch nach Aumüller, denn so heiße ich.
Postler: das sind sie selber?
Herr A: Na, ja gewiss doch
Postler: Und warum soll ich nach ihnen suchen, wenn sie doch vor mir stehen?
Herr A: (Außer Fassung) Nach der Geldanweisung für Aumüller sollen sie suchen!
Postler: (beleidigt) Hören sie, sie haben mir hier keine Vorschriften zu machen, wie ich meinen Dienst versehen soll - (ereifert sich noch mehr) sie - ich tue meine Dienst schon seit dreißig Jahren - und immer korrekt - immer korrekt!
Herr A: (begütigend) Ja, natürlich! Aber bitte, nun zahlen sie mir doch die Geldanweisung aus. Haben sie sie nun endlich gefunden?
Postler: (hält die Geldanweisung an die Augen) Aumüller August - komisch - also doch Aumüller! Hätte ich wirklich nicht gedacht - (scharf) wohnhaft?
Herr A: Hornbiegelstraße 19.
Postler: (legt die Geldanweisung wieder weg) Dann sind sie's nicht!
Herr A: (ärgerlich) Aber es gibt keinen anderen Aumüller in unserer Straße außer mir!
Postler: (stur) Ja, vielleicht in ihrer Straße!
Herr A: Was soll denn das nun wieder heißen?
Postler: Naja, in ihrer Hirnbiegelstraße
Herr A: Horn - Hornbiegelstraße - nicht Hirn
Postler: Hab ich doch gesagt! Hirnbiegelstraße.
Herr A: Wollen sie mich verspotten? Oder worauf wollen sie überhaupt hinaus?
Postler: (sehr amtlich) Die mir vorliegende Geldanweisung lautet auf August Aumüller in der alten Bahnhofstraße 19 und nicht an sie!
Herr A: Ach so, deshalb! Unsere Straße ist umbenannt - umbenannt von Alte Bahnhofstraße jetzt in Hornbiegelstraße. Es ist dieselbe Straße - hören sie - dieselbe Straße! Und ich bin der Empfänger der Geldanweisung. Hier habe ich doch die Benachrichtigung Ihres Kollegen.
Postler: Also wenn es zuerst die "Alte Bahnhofstraße" war und jetzt die Hirn - eh - die Hornbiegelstraße ist, kann es ja unmöglich dieselbe Straße sein, sonst - (überheblich) wärs nämlich doch noch die "Alte Bahnhofstraße"! Ist doch logisch, oder etwa nicht?
Herr A: (Macht eine verzweifelte Geste)
Postler: (amtlich) Außerdem: Eine Geldsendung geht mindestens zwei bis drei Tage, und in zwei bis drei Tagen wird keine Straße umbenannt.
Herr A: Das Geld habe ich gewonnen - gewonnen bei einem Preisausschreiben.
Postler: Was sie nicht sagen.
Herr A: Bei einem Preisausschreiben vor vier Monaten - na ja, und damals hieß unsere Straße noch "Alte Bahnhofstraße" und darum steht es auch so auf der Geldanweisung, weil es auch so auf meinem Absender gestanden hat - versteh'n sie das?
Postler: Nein.
Herr A: Mein Gott, so glauben sie mir doch!
Postler: Sie reden reichlich wirres Zeug, wissen sie das?
Herr A: (aufgeregt) Und - und das hier - die postalische Benachrichtigung - ein amtliches Papier! Von ihrem Kollegen, der immer unsere Straße bearbeitet!
Postler: Der kann ja versetzt worden sein in ihre Hornbiegelstraße.
Herr A: (entgeistert) Mann - so nehmen sie doch Vernunft an.
Postler: (gekränkt) Wenn einer hier vernünftig ist, dann bestimmt ich! Ich handle nach meinen Vorschriften!
Herr A: Ist ja gut, aber - nun machen sie schon!
Postler: (greift zum Telefon) Das muß ich mir erst amtlich bestätigen lassen, daß die Straße umbenannt ist. Ja?? Bitte den Herrn Vorsteher! Ja, Herr Vorsteher - hier Geldschalter Nr. 1, Stempelmeier am Apparat. Herr Vorsteher - ja, Stempelmeier - ich habe hier einen schwierigen Fall - eine Geldsendung für Müller - nein für August Müller - eh - wollte sagen (studiert den Geldschein)für August Aumüller. Ja so wars: August Aumüller - in der alten Bahnhofstraße 19 - sagt er wenigstens. Bitte, hab ich das Recht die Sendung auszuliefern, so doch die Straße nicht stimmt - ja? Bitte? Ich soll warten? - Ja, Herr Vorsitzender - ja, ich warte.
Herr B: (erscheint)
Herr A: (ungeduldig) Also so etwas! Da freut man sich, daß man einen schönen Gewinn abholen kann - und nun dieser Bürokratismus - diese entsetzliche Umständlichkeit
Herr B: (staunt) Einen Gewinn? Einen schönen Gewinn, sagten sie?
Herr A: (nickt, mit den Fingern trommelnd)
Postler: Ja? Aha, danke - Herr Vorsteher, danke - dasselbe - äh - dieselbe - vielen Dank (legt Hörer auf) Also, sie haben Glück - es ist wahrhaftig die selbe Straße
Herr A: Sagte ich doch!
Postler: Gut, also das stimmt - nun bitte ihren Ausweis - ihren gültigen Personalausweis!
Herr A: Meinen - ja ja, natürlich - meinen Personalausweis - (sucht in seinen Taschen) - na, wo ist er denn - (sehr nervös) - zum Donnerwetter - ich hatte ihn doch eingesteckt.
Herr B: Vielleicht in ihrer Aktentasche?
Herr A: (durchsucht seine Aktentasche, es wird alles einzeln herausgenommen, manches fällt herunter, alles sehr schnell und aufgeregt)
Postler: (schaut gelangweilt zu)
Herr C: (erscheint, blickt verwundert)
Herr B: (zu ihm vertraulich) Der Mann hat einen großen Lottogewinn gemacht und will ihn hier abholen - aber er findet seinen Personalausweis nicht.
Herr C: (eifrig zu A) Wenn ich ihnen behilflich sein kann?
Herr A: Aber ich weiß - ich habe ihn mitgenommen - ich kann es beschwören -(sucht wieder in seinen Taschen)
Herr C: Vielleicht ist er doch noch bei ihnen zu Hause - ich habe meinen Wagen draußen, ich könnte sie schnell hinfahren!
Herr A: Ach, danke - nein, er muß hier sein - (alle suchen auf dem Schalterbrett, auf dem Boden, wieder wird die Aktentasche durchwühlt)
Herr A: (durchsucht seine Hosenaufschläge, seine Schuhe, seine Ärmel)
Postler: (packt sein Brötchen aus und ißt teilnahmslos)
Frau: (erscheint) Nanu, was ist denn hier los?
Herr C: (zu ihr) Der Herr da hat einen riesigen Lottogewinn gemacht, aber er hat seinen Personalausweis hier irgendwo verloren.
Frau: (abseits, pfiffig) Klar, da muß man helfen - und dann wird er sich erkenntlich zeigen! (Resolut zu Herrn A) Na, guter Mann, wo haben wir noch nicht gesucht?
Herr A: (Ziemlich erschöpft) Überall - überall gesucht - und dabei weiß ich ganz genau, daß ich ihn eingesteckt habe!
Frau: (faßt mit schneller Bewegung in die Innentasche Herrn A's)
Herr A: (empört) Aber sie, was erlauben sie sich! (Alles horcht auf)
Postler: (dreht kauend langsam den Kopf)
Frau: (triumphierend) Sehen Sie, das dachte ich mir! Ein Loch, ein Loch in ihrer Innentasche! (Sie tastet an dem schockierten A herunter, alle sehen gespannt zu) Da - da - da ist er! Warten sie - das haben wir gleich! Im Futter ganz unten sitzt er - das Futter müssen wir natürlich auftrennen!(Sie kramt in ihrer Handtasche, bringt eine Schere zum Vorschein. Herr B und Herr C ziehen dem Herrn A die Jacke aus)
Frau: Gut, daß ich immer eine Schere bei mir habe, sehen sie, Herr Lottokönig, so kann ich ihnen helfen! (sie schiebt die Jacke auf das Schalterbrett, um aufzutrennen, dabei fällt erneut die Aktentasche herunter und alles heraus - niemand achtet darauf, denn die Frau bringt den Ausweis zutage) Hier mein Herr, bitte - ihr Personalausweis, na, wie habe ich das gemacht?
Herr A: (erleichtert, aber fertig) - Ja, ja, vielen Dank! (nimmt den Ausweis, drängt sich durch die anderen zum Schalter, alle drängen nach, recken die Hälse)
Herr A: (seinen Ausweis offen hinhaltend) Sie - also hier - bitte schwarz auf weiß, August Aumüller, Hornbiegelstraße 19 - ehemals "Alte Bahnhofstraße" 19 - alles in Ordnung.
Postler: (legt langsam sein Brotpapier zusammen)
Herr A: Und nun - (die Uhr über dem Schalter rückt auf 18 Uhr)
Postler: und nun ist's 18 Uhr - Schalterschluß für heute! (Er läßt das Innenrolleau herab) Licht aus.
(NB: Die Uhr kann natürlich auch im Hintergrund sein und dort deutlich ertönen)
  Ende
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